Brutal ist er schon noch, Mitch, der Quasi-Gangster. Auch wenn er gerade aus dem Gefängnis entlassen aussteigen will aus dem Geschäft des aggressiv-kriminellen Geldeintreibens im Dienst eines Kredithai-Gangsters. Persönliche Verbindungen zum Milieu sind natürlich noch vorhanden, zu Billy vor allem, dem Kumpel, den er nicht hängen lassen will. Und gewisse Verpflichtungen gibt es auch: Man hat ihm eine Wohnung besorgt, indem man den Vorbesitzer kurzerhand rausgeschmissen hat, Möbel, Einrichtungen, Dinge des täglichen Bedarfs darf Mitch mitbenutzen.
Wenn ihm einer quer kommt, schlägt er zu, und einmal schlagen reicht normalerweise bei Mitch. Aber er ist ein Guter, hat einen Bettler zum Freund, kümmert sich um die Borderline-Schwester mit Alkoholproblem, und er erkennt auch, wenn zwei sich bereitmachen, eine Frau zu überfallen, dann schreitet er ein. Was ihm einen unverhofften Job einbringt: Bodyguard einer Schauspielerin, die, wie es sich für echte Stars gehört, permanent von Paparazzi belagert wird.
Gespielt wird sie von Keira Knightley, die von Film zu Film durchsichtiger wirkt. Fragil, nervös, zittrig ist sie als Charlotte, die in ihrer jungen Karriere traumatische Erfahrungen gemacht hat, sie malt schreckliche Horrorbilder, graugesichtige Porträts, die alles darüber sagen, wie es in ihrem Inneren aussieht.. Lebt mit einem verkommenen Typen zusammen, mit Jordan und der ist total abgefuckt, für jeden Scheiß zu haben, zugleich völlig indifferent, Drogentyp, Hausmeister, was weiß ich was noch alles in diesem Haushalt David Thewlis spielt ihn als wirklichen Scene-Stealer, gegen ihn können die Knightley und Colin Farrell als Mitch kaum ankommen. Mitch stößt zu dieser seltsamen Hausgemeinschaft, Farrell spielt ihn hemdsärmelig, zupackend, als Unterklassetypen, als Kriminellen aus der Gosse, der die Sprache der Gewalt aktiv sprechen kann. Und auch einem Gangsterboss Paroli bietet, als der ihn um Wiedereinstieg ins Geschäft nötigt.
Diesen Boss spielt Ray Winstone, und London Boulevard ist genau so ein Film, der Ray Winstone als Gangsterboss castet. Das ist eben keine sonderlich originelle Wahl, aber dafür effektiv. Das tut der Film durchgehend: Das Naheliegende bringen, wenn er von Mitch und dem Milieu erzählt, dies aber gekonnt und oft genug dem Genre gemäß drastisch.
Das Problem ist, dass sich eine richtige Story nicht herauskristallisiert, sondern dass sie sich in vier, fünf Handlungen zersplittert. Als Drehbuch liest sich das sicherlich toll, Regisseur Monahan hat sich als Autor einen Namen gemacht, sein größter Triumph ist Scorseses The Departed. Doch für einen richtig packenden Film reicht das nicht. Schöne Dialoge, in denen untergründige Bedrohlichkeit und Schlagfertigkeit herrschen, und nette Twists wirken weniger als treibende Kräfte des Films denn als Mätzchen, in denen Monahan seine schreiberische Eleganz zeigen will, mit der er die Gewalt auf der Straße und die behauptete Gleichgültigkeit gegenüber Ultrabrutalem zeigen will.
Im letzten Drittel geht die Handlung den Weg nach unten, und die Filmfiguren sterben nacheinander, gewalttätig umgebracht bei Mitchs Rachefeldzug gegen das Gangstertum und beim Zurückschlagen durch die Gang. Das Sterben hat die Ausmaße Shakespearescher Tragödien nur dass es hier brutaler zugeht, und dass das Töten und Sterben weit weniger stringent erzählt ist.
Fazit: Ein Gangsterfilm, dessen Eleganz sich in Dialogen und dramaturgischen Kabinettstückchen ausdrückt der aber als Film im Ganzen eher zusammengestückelt und beliebig wirkt.