Chloe: Thriller nach Anne Fontaines "Nathalie", in dem eine Ehefrau ihren Gatten testet, indem sie ihm ein Callgirl auf den Hals hetzt.
In seinem bislang zugänglichsten Film, einem Remake von Anne Fontaines „Nathalie“, stürzt Atom Egoyan Julianne Moore und Liam Neeson in ein Wechselbad der Gefühle - mit Amanda Seyfried als Objekt der Begierde.
Catherine und David, sie Frauenärztin mit gutgehender Praxis, er Kunstprofessor, sind auf den ersten Blick ein perfektes Paar. Sie bewohnen ein elegantes Stadthaus, haben einen musikalisch begabten Sohn und scheinbar keine Probleme. Bis David eines Abends den Rückflug nach Toronto verpasst - und entsprechend die von seiner Frau liebevoll geplante Überraschungsparty zu seinem Geburtstag. So fangen Krimis an, Liebesgeschichten und Eifersuchtsdramen, Filme mit klarer Matrix, die man so von Atom Egoyan („Ararat“) eigentlich nicht erwartet. Seit „Das süße Jenseits“ (1997) hat der kanadische Regisseur armenischer Abstammung keinen so zugänglichen Film mehr inszeniert.
Was freilich nicht heißt, dass „Chloe“ vorhersehbar ist - im Gegenteil.
Egoyan versteht sein Handwerk, weiß, wie man mit Genrekonventionen bricht, Geschichten gegen den Strich erzählt. Das hier zu überprüfen, ist insofern einfach, weil man eine gute Vergleichsmöglichkeit besitzt. Seine aktuelle Arbeit basiert auf einem anderen Film, Anne Fontaines „Nathalie - Wen liebst du heute Nacht?“ mit Fanny Ardant, Emmanuelle Béart und Gérard Depardieu, zu dem ihm Erin Cressida Wilson ein neues Skript geschrieben hat. Da ist aus Natalie Chloe geworden, von Beruf Callgirl, spezialisiert auf reifere reiche Herren. So einen wie David, auf den sie die mit dem Älterwerden kämpfende Catherine ansetzt. So will sie seine eheliche Treue testen und verfällt selbst den Reizen der jungen Konkurrentin.
Kühl, fast kalt bebildert Egoyan mit Hilfe seines vorzüglichen Kameramann Paul Sarossy („Wicker Man“) die hitzige Mär, die sich unmerklich in einen Thriller verwandelt. Um Verlangen und Misstrauen geht es, um lieben und geliebt werden. Raubtieren gleich umkreisen sich Mann und Frau, Liam Neeson und Julianne Moore machen das Wechselbad ihrer Gefühle körperlich spürbar, das Objekt ihrer Begierde Amanda Seyfried („Jennifer’s Body“) hinterlässt als blondmähniges Biest mit Kulleraugen einen nachhaltigen Eindruck. In einer modernistischen Welt mit klaren Linien, viel Glas, poliertem Holz und (Zerr-)Spiegeln nimmt das Drama seinen Lauf, der äußerliche Formalismus steht im harten Kontrast zur inneren Unruhe.
Und dann ist da noch ein vierter Hauptdarsteller, die Stadt Toronto, Wahlheimat des in Kairo geborenen Weltbürgers Egoyan. In Yorkville, im angesagten Viertel der Multikulti-Millionenmetropole spielt der Film, in seinen winkligen Gassen, den schicken Restaurants und gemütlichen Cafs. So erdet sich diese handwerklich geradezu gelackte Arbeit, wird zu einer ganz alltäglichen Story über Menschen, über Identitätssuche, über Voyeurismus und sexuelle Obsessionen womit der „Schätzer“ Egoyan wieder ganz bei sich wäre. geh.