Fleisch ist mein Gemüse, das Buch mit dem ganz willkürlichen Titel, hat sich 250.000 Mal verkauft. Eine 250seitige Beschreibung von Stillstand, von Phlegma, von Erbärmlichkeit. Heinz Strunk, Hauptfigur und Erzähler dieser quasiautobiographischen Beichte, suhlt sich zwölf Jahre lang im Sumpf von Tanzmusik. Auf Seniorentees, Karneval, Schützenfest und diversen anderen Feiern in der norddeutschen Provinz erlebt er die Essenz und das Rückgrat der deutschen Kultur, die aus dumpfem Witz und überfröhlichem Schlagerfez besteht und gestaltet diese Niederungen musikalischen Massakers aktiv mit, als Saxophonist der Tanzband Tiffanys.
Zwölf Jahre Stillstand des Lebens, der persönlichen, emotionalen, intellektuellen Entwicklung: Das kann man natürlich nicht wirklich zu einem Film umgestalten, denn da muss ja etwas passieren das ist der Grund, weshalb die Verfilmung durch Christian Görlitz seltsam überproduziert wirkt, obwohl hier nicht halb so viel geschieht wie in einem durchschnittlichen Spielfilm.
Nicht nur, dass in manche Szenen schlicht zu viel reingepresst wurde das telefonischen Engagement durch Tiffanys-Bandleader Gurki ist verknüpft mit dem gleichzeitigen Zusammenbruch der psychotischen Mutter im Beisein zweier Polizisten, Heinz erster Auftritt verzögert sich, weil sich ein telefonischer Hilferuf der Mutter aus der Klapse dazwischendrängt. Auch emotional soll man sich einfinden in die Hauptfigur, die sich bei allem tollpatschigen Unvermögen doch zumindest bemüht, anderen beizustehen, der Mutter, der fetten, einsamen Nachbarin; schließlich gar mündet alles in der Andeutung einer Liebesgeschichte, die in der zweiten Filmhälfte zum tragenden Handlungsfaden wird. Wo der Strunk im Roman sich doch gerade dadurch auszeichnet, alle anderen zu verachten, eben weil sie genau wie er sind!
Zudem. Die Darsteller sehen alle viel zu gut aus, trotz grotesker Körperformen der hagere Andreas Schmidt mit krausem Haar und Schnauzer und erbarmungslosem Frohsinn, der so jovial und oberflächlich den Gurki gibt , trotz Akne Conglobata, die Heinz verunziert. Der Grad von Ekligkeit, der im Buch ausführlich, plastisch und wortgewandt ausgeführt ist, wird nie erreicht. Und die Musik, die Tiffanys spielen, hört sich einfach zu gut an, das merkt jeder, der schon einmal in der Wirklichkeit eines Sportfestes einen Alleinunterhalter erlebt hat
Freilich genau hier trifft der Film den Geist des Buches ganz genau, in der Beschreibung der Provinzvergnügungen, wos mit Hello Mary Lou, Wenn i mit dir tanz in schmierigem Pseudo-Bayerndialekt oder An der Nordseeküste (mit einem Cameo des echten dicken Klaus als Besoffenem) ganz höllisch zur Sache geht. Organisierte Heiterkeit, billige Witze, biedere Erotik und der langersehnte Ausbruch aus dem Alltag an dem einen, großen Festtag des dörflichen Jahresablaufs: all das wird in lebensecht choreographierten Festlichkeiten exakt beschrieben, und wehe es geht etwas schief: Hello Dolly aus dem Musical Hello Dolly ist halt die falsche Musik für den Schützenkönig, zuviel Afrika, zuwenig Bavaria; oder Oliver Bendt mit seinem One-Hit-Wonder Sun of Jamaica, der nun beim völlig ungelenken Limbo-Tanz auf offener Bühne Feuer fängt
Das jedenfalls ist die Ein- und Überleitung zum besten Teil des Films, zu einem Ende, das sich gewaschen hat in einer Lauge aus Ironie, Fiktion und vergeblichem Ausbruchsversuch ein Happy End, das Heinz Strunk, den echte, einsam zurücklässt mit Bier und Zigarette, den unersetzlichen Utensilien einer Landjugend mit Musik.
Fazit: Heinz Strunks Bestseller in einer Verfilmung, die nicht immer den jämmerlichen, verachtungsvollen, phlegmatischen Ton der Vorlage trifft der aber die Landjugend mit ihren billigen Vergnügungen treffend beschreibt.