Hugo Cabret: Martin Scorseses erster Kinderfilm und erster Film in 3D: Das zwölfjährige Waisenkind Hugo, das in den Mauern einer Pariser Metrostation lebt, wird aus seiner Anonymität gerissen, als er ein Mädchen kennenlernt und diversen Geheimnissen auf die Spur kommt.
Ausnahmeregisseur Martin Scorsese macht seinen ersten Abstecher in sowohl Familienunterhaltung als auch 3D-Format und gestaltet dies visuell virtuose Verbeugung vor der frühen Filmgeschichte.
Als Vorlage für die Drehbuchadaption diente John Logan („
Aviator“ und „Sweeney Todd“) Brian Selznicks Bestseller-Bilderroman „The Invention of Hugo Cabret“. Der Protagonist ist ein zwölfjähriger Waisenjunge namens Hugo (Asa Butterfield aus „Der Junge im gestreiften Pyjama“), der Anfang der Dreißigerjahre innerhalb des labyrinthartigen Pariser Bahnhof Montparnasse Gare lebt. Dort landet er, als er nach dem Tod seines Vaters für seinen trunksüchtigen Onkel als Gehilfe für die Wartung sämtlicher Bahnhofsuhren arbeiten muss. Alsbald ist Hugo traditioneller Charles-Dickens-Manier gemäß vollkommen auf sich allein gestellt und hält sich mit kleinen Diebereien über Wasser. Auf diese Weise macht der einsame Junge Bekanntschaft mit dem schwermütigen Ladenbesitzer Georges Méliès (Ben Kingsley geht ganz in der Rolle des tragischen Filmpioniers auf), dessen tatsächliche Identität eines der Geheimnisse ist, die es für Hugo zu entdecken gilt. Desweiteren strebt der technisch hochbegabte Junge den antiken Roboter seines verstorbenen Vaters wieder zum Funktionieren zu bringen. Nur ein herzförmiger Schlüssel kann das Rätsel entschlüsseln - und genau so einen trägt ausgerechnet Melies‘ Patenkind Isabelle („Kickass“-Göre Chloe Grace Moritz) an ihrer Halskette. Die beiden Kinder freunden sich schnell an und gehen Melies aufregender Lebensgeschichte gemeinsam auf den Grund. Gleichzeitig ist Hugo gezwungen sich vor dem Bahnhofsinspektor (Sacha Cohen Baron in einem slapstickhaften Part) zu verstecken, um nicht ins Waisenhaus gesteckt zu werden.
Scorsese läuft mit dieser bezaubernden Familienfantasie zu neuer Höchstform auf, was bereits eingangs mit einer atemberaubend langen Kamerafahrt über die Dächer von Paris hinein in die Bahnstation belegt wird. Dies ist lediglich der Auftakt für ein nahezu konstant aufrecht erhaltenes visuelles Feuerwerk, das meisterhaft 3D und CG-Effekte integriert. Tiefsatte Farben sowie ein ausgefeiltes Licht- und Schattenspiel kreieren ein märchenhaftes Ambiente, in dem auch Dante Ferrettis originelles Produktionsdesign besonders gut zur Geltung kommt. Die passend emotionale musikalische Untermalung wird von Howard Shore beigesteuert, der bereits die „Herr der Ringe“-Trilogie mit zeitlosen Klängen versah. Zeitlos ist auch Scorseses Verehrung für die Pioniere des Films. Neben seiner detaillierten Hommage an den hyperkreativen Méliès, die eine Rekreation dessen berühmten Trickfilms „Die Reise zum Mond“ und eine Rekonstruktion seines Kinotheaters umfasst, verneigt sich der Oscargewinner direkt oder indirekt vor einer Reihe der Schrittmacher der Filmgeschichte. So zeigt Scorsese einen Ausschnitt aus dem Zug-Film der Lumiere Brüder und die berühmte Uhr-Szene aus „
Ausgerechnet Wolkenkratzer“ mit Harold Lloyd, die er später nachstellt. Uhren und Getriebe sind ein dominantes Motiv in dieser fantasiereichen Fabel voller Verlust, Sehnsucht und Hoffnung, die darauf hindeuten, dass es für den Protagonisten letztlich darum geht, seinen Platz im Lebensgetriebe zu finden. ara.