Auf der Suche nach dem Ethos des Individuums, macht es sich der Film "Schuld sind immer die Anderen" keinesfalls so leicht, wie der Titel andeutet. In einer Gesellschaft, in der Verantwortung übernehmen oft mit Schwäche verwechselt wird, verwischen die moralischen Grenzen. Politiker und Personen des öffentlichen Interesses verbringen viel Zeit damit zu dementieren - wer zu seinen Fehlern steht, kann nur verlieren.
Der Vergleich scheint weit gegriffen, doch bricht man die Handlung von "Schuld sind immer die Anderen" auf die wesentliche Frage herunter, geht es darum, ob der Protagonist Verantwortung für sein Handeln übernimmt oder nicht.
Der Film stellt zwei Charaktere gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ben, als notorischer Straftäter, mit ungehemmten Aggressionen und einem mangelnden Weitblick. Eva, die Pädagogin, selbst Opfer einer Gewalttat, die trotz aller Bemühungen mit dem Geschehenen nicht abschließen kann.
So interessant diese Konstellation auch ist, die Filmemacher setzen beim Publikum viel Gutmütigkeit voraus. Bei manchen Wendungen und Komplikationen sind die Schrauben zu fest angezogen, an anderen Stellen klaffen logische Lücken. Warum nutzt Ben nicht die erstbeste Möglichkeit um zu fliehen? Wie groß ist die Chance, dass diese beiden tatsächlich aufeinander treffen? Und warum fallen die eben noch vielschichtigen Charaktere oft in Klischees ab?
In einer frühen Szene wird Eva gefragt, ob sie das Erlebte verarbeiten kann. "Ich würde versuchen zu verzeihen", ist ihre Antwort. Es ist eben dieser Versuch, dessen Durchführbarkeit in all seiner Härte, oftmals Fragen aufwirft. Obwohl Julia Brendler der Figur eine interessante Mischung aus Fragilität, innerer Stärke und Trotz verleiht, erscheint ihre Motivation oft dem Wunsch der Drehbuchautorin geschuldet und nicht einer logischen Charakterisierung. Natürlich braucht die Handlung eine Figur, die dem Täter nicht schnell verzeihen kann. Die Tat muss größere Konsequenzen haben, die Schuld des Täters nahezu unverzeihlich sein. Das ist dramaturgisch einwandfrei, nur hinterlässt es einen faden Beigeschmack, wenn die Intentionen der Filmemacher eine solch klare Spur auf der Leinwand hinterlassen. Der Film begibt sich oftmals auf eine gefährliche Gratwanderung zwischen aufrichtiger Charakterstudie und lästiger Moralpredigt. Dass er dabei nicht in letzteres abrutscht, verdankt er vor allem Edin Hasanovic.
Der Jungdarsteller vermag es Ben zu einer authentischen Figur zu erwecken, deren moralischer Werdegang uns hoffen lässt. Und hier zeigt sich die Stärke des Filmes. Es geht nicht darum, zu zeigen, dass am Ende alles gut wird. Es geht nicht darum einen Menschen zu ändern, ihn auf wundersame Weise von all seinen Lastern zu heilen. Der Film zeigt einen jungen Mann, der gerade am Beginn steht, zu verstehen, welche Konsequenzen sein Handeln hat. Der das erste Mal darüber nachdenkt, wer eigentlich auf der anderen Seite steht. Dass es bei menschlicher Interaktion nicht nur darum geht, wer am Ende als Gewinner vom Platz geht. Und dass Gewinnen relativ ist. Schuld sind nicht immer nur die Anderen, manchmal muss man zu seinen Fehlern stehen.
Fazit: "Schuld sind immer die Anderen"ist ein nicht immer komplett klischeefreies Sozialdrama, das vor allem durch seine Hauptdarsteller zu überzeugen weiß.