John Rabe: Nanking, 1937: Um die Bevölkerung vor den japanischen Truppen zu schützen, errichtet John Rabe, Leiter der Siemens-Niederlassung, mithilfe der Amerikanerin Minnie Vautrin eine Sicherheitszone.
Mit einem eindrucksvollen internationalen Drama lenkt Florian Gallenberger das Scheinwerferlicht auf den „Oskar Schindler von China“, der 1937 in Nanking mehr als 250.000 Menschenleben rettete.
Vergleiche mit „
Schindlers Liste“ drängen sich auf, dem anderen Film über einen Deutschen, der während des Dritten Reichs lernte, den Wert des menschlichen Lebens so sehr zu schätzen, dass er zur Rettung anderer seine eigene Existenz aufs Spiel setzte - offenkundig sind die Parallelen zwischen dem, was Oskar Schindler und John Rabe unter denkbar unmöglichen Voraussetzungen geleistet haben, zwischen ihren Ängsten, Gewissenskonflikten und Überzeugungen, auch wenn der eine ein leichtfertiger Hallodri, der andere der Inbegriff eines pflichtvergessenen Bürokraten war. Aber wenn man Spielberg rein filmisch als Referenzpunkt heranzieht, dann ist Florian Gallenbergers Verfilmung der unglaublichen Geschichte des Hamburger Kaufmanns John Rabe, der 1937 als deutscher Siemens-Repräsentant in der chinesischen Hauptstadt Nanking 250.000 Menschen vor dem sicheren Tod bewahrte, näher an dem unterschätzten „
Das Reich der Sonne“ dran. Obwohl Spielbergs Drama über einen britischen Jungen auf Irrfahrt durch chinesische Internierungslager später, im Jahr 1941, angesiedelt ist, handeln doch beide Filme von der japanischen Besetzung Chinas, vom sinnlosen Massaker an Unschuldigen, von der Not und Verzweiflung in Zeiten von Chaos und Isolation. Und vom Mut Weniger, die sich dem übermächtigen Militärapparat entgegenstellen. Anders als „Das Reich der Sonne“ ist Gallenbergers Film aber erfreulich geerdet und fokussiert, bei aller visuellen Opulenz bewundernswert bescheiden.
Anders lässt sich diese bis Mitte der Neunzigerjahre als Rabes Tagebücher entdeckt wurden, unbekannte Geschichte, gar nicht anders erzählen, will sie nicht den Anschein erwecken, Ausgeburt einer etwas zu regen Fantasie zu sein: Nachdem er seine Arbeiter buchstäblich unter der Hakenkreuzfahne vor japanischen Bomben gerettet hat, tut sich ein deutscher Geschäftsmann unter anderem mit einem jüdischen Diplomaten, amerikanischen Doktor und einer französischen Lehrerin zusammen, um die Zivilbevölkerung Nankings durch die Gründung einer unabhängigen Schutzzone vor dem einrückenden japanischen Militär zu retten. Tatsächlich scheint sich der Film selbst immer wieder selbst versichern zu müssen, dass er von wahren Begebenheiten erzählt. Nicht nur werden die Ereignisse aus dem Off mit Rabes Tagebucheinträgen begleitet, zusätzlich schnitt Gallenberger wiederholt historisches Schwarzweiß-Filmmaterial ein, das einen beklemmenden Eindruck von den verheerenden Zuständen in Nanking vermittelt. In diesen Momenten ist „John Rabe“ ganz zeitgeschichtliches Dokument, das sich daraus aber als vielschichtiges Drama entfaltet, zwar mit einem deutschen Fokus, aber doch mit dem erkennbaren Bemühen, als internationaler Film nicht vor Grenzen Halt zu machen, wie die Besetzung mit dem herausragenden Ulrich Tukur in der Titelrolle, Daniel Brühl, dem französischen „Schmetterling & Taucherglocke“-Star Anne Consigny und dem amerikanischen Charakterkopf Steve Buscemi unterstreicht. Dass dabei unter schwierigsten Drehbedingungen vor Ort in China gearbeitet wurde, merkt man dem Ergebnis nie an. Auch ein Verdienst des im Dreh an entlegensten Locations erfahrenen Gallenberger, der hier sichtlich in seinem Element ist. Man kommt nicht umhin, die außergewöhnliche Leistung Ulrich Tukurs zu würdigen, ohne den alle noch so richtigen Regieentscheidungen verpuffen würden: Sein John Rabe ist Mittelpunkt und Anker, gibt der in ihrer Größe fast abstrakt wirkenden Heldengeschichte ein menschliches Gesicht. Vor allem aber lässt er diesem ungewöhnlichen Mann seine Widersprüchlichkeit und bietet faszinierende Reibungsflächen, weil hier nicht weiß gewaschen, sondern dokumentiert werden soll. Umso stärker wirkt, was Rabe geleistet hat. Und damit der ganze Film. ts.