Mel beginnt ein doppeltes Doppelspiel: ihrer Familie setzt sie einen fingierten Freund vor, Miguel aus dem portugiesischen Faro, eine Rolle, die sich ihr Arbeitskollege gut bezahlen lässt. Und gegenüber Jennifer, in die sie sich verliebt hat, spielt sie selbst einen Jungen, nämlich Miguel aus dem portugiesischen Faro. Ein Lügengebilde, aus dem kaum mehr zu entkommen ist ohne Krach mit der Familie und den Verlust der Liebe.
Das Zwei-Fronten-Doppelspiel ist Ausdruck des Doppellebens, das Mel schon lange führt, ohne es zu merken. Schon lange wurde die 22jährige von Vater, vor allem vom Bruder aufgezogen, weil noch immer kein Freund in Sicht ist. Und erst als sie sich nach einem nächtlichen Beinahe-Autounfall in Jennifer verliebt, nach einem Abend in der Disco und einer Nacht unter freiem Himmel mit Sternen und Flugzeugen über sich, kann sie sich eingestehen, dass Männer ihr vielleicht nicht liegen, weil sie lieber mit Mädchen auf dem Autodach liegt.
Das scheint ein Topos des schwullesbischen Kinos zu sein, das Spiel der Geschlechter, das Verkleiden und Täuschen, das sich dann im Coming Out auflöst. Eine Vertauschung der Geschlechtsidentität: das hat der Film mit dem Schwank, mit dem Lustspiel à la Charlys Tante gemein, doch natürlich verfällt er nicht in Zoten oder oberflächliche Gags, zeigt das Verwechslungs- und Täuschungsspiel als ernste Sache, als Dilemma. Das hier freilich nie pathetisch oder prätentiös wird, wie es etwa in Angelina Maccarones Fremde Haut der Fall war. Nana Neul geht ganz einfach vor, dramatisiert die Probleme nicht über, unterschätzt sie auch nicht. Direkt, ohne Finessen, freilich auch ohne große Raffinesse geht sie in ihrer Coming-Out-Geschichte vor.
Das Schöne ist, dass die unglaubliche Verstrickung in Lüge und Täuschung nach zwei Seiten ganz selbstverständlich daherkommt. Und sie lässt daneben eine zarte kleine Liebesgeschichte entstehen, zwischen Mel, die zum ersten Mal einer Frau nahe kommt, und Jenny, die in ihr einen Jungen sieht und ebenfalls die erste Liebe entdeckt. Eine unmögliche Liebe zur 14jährigen, die Mel für 16 hält, in das Girlie mit blondiertem Haar, rosa Mädchenzimmer, in überbetont aufreizend-weiblicher Kleidung, wie sie nur Teenager im Ausprobier-Stadium erlaubt ist. Da ist es egal, dass die Grundvoraussetzung konstruiert ist Mels Körper ist zu weiblich, ihre Stimme zu hoch, als dass sie wirklich als junger Mann durchgehen würde.
Doch hier setzt das andere Thema des Films ein, das die Vorurteile und Borniertheiten von Mels Umwelt verhandelt: So wie sich die junge Jenny von Mels männlicher Kleidung und ihrem männlichen Verhalten täuschen lässt und von vornherein davon ausgeht, es mit einem Mann zu tun zu haben, so verstockt bleiben den ganzen Film über Mels Vater und Bruder, die ihr Anderssein verdrängen und sie stets in das konventionelle Schema drängen wollen, ebenso wie Jennys Mutter und ihre Freunde, die schließlich gar eine Menschenjagd gegen die Lesbe, die Mösenleckerin veranstalten.
Eine allzu starke Entwicklung dieses Handlungsstranges ist das, der die Leichtigkeit, die ansonsten im Film vorherrscht, etwas überstrapaziert. Doch vielleicht ist das die Erfahrung, die viele Andersliebende machen in einer Gesellschaft, die ihnen gerade von Seiten der Menschen, die am nächsten stehen Intoleranz entgegenbringt.
Fazit: Der Debütfilm erzählt charmant eine Coming-Out-Geschichte, indem er die Protagonistin sich in ein doppeltes Lügengebilde verstricken lässt. Nur in der Zeichnung der intoleranten Umwelt etwas übertrieben.