Mit Gigante hat Regisseur und Drehbuchautor Adrian Biniez bei der Uraufführung auf der Berlinale 2009 gleich drei Preise gewonnen, unter anderem den Silbernen Bären. Und das für einen Debütfilm: das ist beachtlich. Tatsächlich hat er seinen Film sehr souverän inszeniert, er weiß genau, was er wie wann zeigen muss, wann er eine Steigerung benötigt, welches Tempo seine Montage haben muss, welche Einstellungswinkel seine Kamera braucht für die tableauartigen Bildkompositionen. Und mit seiner Besetzung hat er ebenfalls ein sehr gutes Händchen bewiesen: denn seine Figuren in dieser Liebesgeschichte, Jara und Julia, sind überhaupt nichts besonderes, total normaler Alltag, im Grunde ganz langweilig. Mit denen aber Großes passiert naja: mit Jara zumindest.
Der ist dick und gutmütig, Wachmann im Supermarkt, am Wochenende Türsteher in der Disco, seine Kommunikation mit den Mitmenschen ist aufs Mindestmaß beschränkt, er ist halt ein bisschen schüchtern, aber nicht unfreundlich. Hört lieber Heavy Metal und spielt Playstation. In seiner Überwachungskabine sieht er nachts auf dem Monitor Julia, und irgendwie geschieht irgendwas mit ihm. Er folgt ihr durch die Stadt, beschattet sie richtiggehend, passieren tut aber nichts.
Er wolle den Prozess des sich Verliebens beschreiben, sagt Biniez, und zugleich die Grenzen zwischen Liebe und Obsession ausloten. Dieser bullige Schrank von einem Mann: wieweit wird er gehen mit Julia, wenn er sie verfolgt, ihr nachspioniert, sie, die ihn nicht beachtet? Weil sie gar keinen Grund dafür hat, schließlich geht er ja keinen Schritt auf sie zu, läuft immer nur heimlich ein paar Meter hinter ihr her
Aber nein: bösartig ist Jara nicht. Nur manchmal geht der Zorn mit ihm durch, als ein Taxifahrer obszön wird zu Julia; aber die merkt das gar nicht.
Je mehr wir ihr aber folgen, zusammen mit Jara, desto mehr merken wir etwas: dass sie perfekt ist für ihn. Schritt für Schritt vollzieht sich dieser Prozess, sie kennenzulernen, sie einzuschätzen, sie zu prüfen und für gut zu befinden ein Prozess, den der Zuschauer durchläuft, nicht die Jara-Figur. Nicht nur dass sie einen Karatekurs besucht vor einem Kino will Jara die Beschattung schon aufgeben, zwei Filme laufen, die Plakate sind deutlich: eine Liebesschnulze und ein Mutanten-Horrorschocker, da scheint ihre Wahl allzu klar. Doch Jara wird gewahr, dass sie eben doch den [i]richtigen [/i]Film ausgesucht hat. Woraus er freilich keine Konsequenzen wie Ansprechen, Flirt, Avancen zieht.
So baut der Film langsam seine Romanze auf, die gar keine ist, die sich mehrheitlich aus Blicken aus der Distanz heranbildet, aus Überwachungskamerabildern auf dem Monitor. Der Zoom ist Jaras einzige Möglichkeit, ihr näherzukommen. Als Julia einmal direkt in die Kamera blickt, fühlt sich Jara ertappt. Und einmal sieht sie ihn per Monitor in einem kleinen Laden, wie er sich hinter einem Regal versteckt, auf den Spuren der Liebe
Eine schöne, kleine, wunderbar erzählte Liebesgeschichte ist das, deren Anfang zumindest. Das Kennenlernen selbst, also: das gegenseitige Kennenlernen, erzählt Biniez nicht. Da bleiben am Ende nur zwei Figuren am Strand, die unhörbar für uns miteinander reden.
Fazit: Vom sich Verlieben zum ersten Schritt hin zur Angebeteten ist es oft ein langer Weg; dieser Film zeigt ihn.